Berlin, 16.12.2017

 

Aktuell erfährt die Bundesrepublik ein erschreckendes Erstarken antisemitischer Tendenzen, denen man sich mit aller Kraft entgegen stellen muss. Wir, die Neuköllner Begegnungsstätte veröffentlichten und verbreiteten über Email hierzu bereits am 13.12.2017 eine klare Stellungnahme (nachzulesen unter: http://nbs-ev.de/presse/66-aus-aktuellem-anlass-stellungnahme-zu-antisemitismus-und-den-protesten-in-berlin). Die unmissverständliche Verurteilung jeglicher Form von Antisemitismus, Aufrufen zu Gewalt und die öffentliche Verbrennung von Flaggen – insbesondere von Seiten einer mehrheitlich von Palästinenser*innen besuchten Moschee – sollte man meinen, würde ein Nachrichtenportal mit öffentlich-rechtlichem Auftrag mehr Aufmerksamkeit widmen, als einer Person, die als Kameraträger eines auswärtigen Referenten vor 8 Jahren unsere Moschee betreten hat.

Stattdessen wird ganz groß und ausführlich der Besuch eines islamistischen Predigers und seines islamistischen Kameramanns vor 8 Jahren in der Neuköllner Begegnungsstätte berichtet. 80% des mit Rechtschreibfehlern durchdrungenen Beitrags behandelt diese beiden Personen und was sie außerhalb den vor vielen Jahren stattgefundenen Besuchen in unserer Moschee alles schlimmes gesagt oder getan haben. Als ob sie dies bei uns gesagt hätten. Fakt ist, haben sie nicht. Jedenfalls ist etwas darüber nicht einmal im rbb-Beitrag zu lesen. Der schlimmere von beiden hat damals sogar lediglich eine Kamera getragen und bedient.

Die fragwürdige Fokussierung des rbb-Journalisten Sascha Adamek erklärt sich aber bei genauem Lesen der auf unserer Website veröffentlichten Meldungen.

Derzeit läuft eine Klage der Neuköllner Begegnungsstätte gegen den Berliner Landesamt für Verfassungsschutz hinsichtlich der aus unserer Sicht ungerechtfertigten Aufführung im Verfassungsschutzbericht. In seiner nicht öffentlichen Klageerwiderung hat der Verfassungsschutz vor 4 Wochen den Besuch im Jahr 2009 von zwei Islamisten in der Moschee benannt und uns um Stellungnahme gebeten. Kaum hatten wir diese Stellungnahme über einen Anwalt vor Gericht eingereicht, gelangten diese Fragen und Bilder zu dem Besuch der beiden Islamisten in der Moschee an den rbb-Journalisten, der daraus offenkundig einen Skandal machen will ohne auch nur den geringsten Ansatz eines Versuchs, diesen ins Verhältnis zu setzen.  Der Autor verzichtet komplett darauf, den aktuell laufenden Rechtsstreit zwischen dem Berliner Verfassungsschutz und uns ausführlicher redaktionell zu beleuchten oder wenigstens zu erwähnen, sondern schlägt sich auf eine Seite. Die Seite, von der er möglicherweise häufiger bei guter Zusammenarbeit redaktionelles Material erhält, das er ja schließlich für seinen Job und damit seinen Lebensunterhalt braucht.  Den Berliner Verfassungsschutz mag es freuen, beeinflussen solche Berichte doch häufig die öffentliche Meinung und vielleicht damit auch seine Aussichten, den Rechtsstreit gegen uns zu gewinnen.  

Unterschlagen in dem Bericht vom rbb wird natürlich auch, daß bei uns unter der dreistelligen Zahl von Gastredner*innen, Rabbiner*innen, Pfarrer*innen, Wissenschaftler*innen, auch islamkritische Personen wie Ahmad Mansour und Abdel Hakim Ourghi selbst aufgetreten sind. Ja selbst AfD-Vertreter waren schon bei uns zu Gast.

Für die Zuschauer- oder Leserschaft ist es aber schon eine wichtige Information, ob der vor einigen Jahren zweimal dort aufgetretene Islamist einer von ganz vielen Islamisten ist, die bei uns regelmäßig auftreten oder ob er eine Ausnahme ist neben einer dreistelligen Zahl an sonstigen Gästen, an denen es nichts auszusetzen gibt. So ist die Aussage Mohammed Taha Sabris im Interviewauschnitt des rbb-Beitrags zu verstehen – welches wir trotz mehrfacher Anfrage bis dato noch immer nicht zur Verfügung gestellt bekommen haben. Wenn wir einmal, zweimal oder gar dreimal einen Fehler begangen haben, so ist das immer auch in Relation zu setzten zu unserer sonst tadellosen und unermüdlichen Arbeit für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und der Integration muslimischer Neu-Berliner*innen. Eben um solche Dekonstruktionen von Aussagen durch beliebiges Schneiden des Filmmaterials zu vermeiden, hatten wir eine Veröffentlichung des gesamten Interviews als Bedingung für dessen Nutzung gemacht, was vom rbb beauftragten Journalisten nicht respektiert wird.

Die Unterschlagung der zwei Tage zuvor von uns veröffentlichten Erklärung gegen Antisemitismus im rbb-Beitrag ist wirklich bemerkenswert, gerade weil unsere Besucher*innen überwiegend Palästinenser*innen sind. Warum wird das unter den Tisch fallen gelassen und stattdessen nur der Besuch Mohammed Taha Sabris bei der Palästinensischen Gemeinde genannt?  Hat unser Imam dort etwa antisemitisch gehetzt oder hat er sich vielleicht entsprechend der Stellungnahme gegen Antisemitismus für Frieden ausgesprochen? Man erfährt es nicht und Sascha Adamek hat unseren Vorstandsvorsitzenden Mohammed Taha Sabri dazu offenkundig nicht befragt (http://nbs-ev.de/presse/65-rbb-der-naechste-versuch).

Besonders tendenziös fällt sodann die Auswahl der "Islam-Expert*innen" aus. Mit Ahmad Mansour (Psychologe), Erol Özkaraca (Rechtsanwalt) und Sigrid Herrmann-Marschall (Diplom-Biologin) kommen drei ausgewiesene Islam-Kritiker*innen zu Wort, die keine Gelegenheit zum Islam-Bashing auslassen und bei deren zahlreichen Publikationen der letzten Jahre man auch allgemein im Bezug auf den etablierten Islam vergeblich nach irgendeiner positiven Äußerung suchen kann. Dabei hätte es nicht an fachkompetenten Personen mit neutraler Sicht auf den Islam gemangelt. So haben sich doch gerade in den letzten Wochen unterschiedliche renommierte Wissenschaftler*innen in den medialen Diskurs über Muslim*innen in Deutschland eingemischt und differenzierte Sichtweisen präsentiert, die bislang nur wenigen bekannt waren.

 

Zum Schluss aber noch ein paar Worte zur Einschätzung Erol Özkaracas, die Predigt Mohammed Taha Sabris vom 16 Oktober 2016 sei „wie eine "dogmatisch klassische, lehrbuchartige salafistische Predigt" zu bewerten:
Sein Vorgehen, die Rezitation der chtubat al-hadja (chutbatu-l-hadja) vor der Freitagpredigt als Beweis einer islamistischen oder gar antiintegrativen Gesinnung unseres Imams und Vereinsvorsitzenden anzubringen, ist verwerflich und aus fachlicher Perspektive mehr als bedauerlich. Diese traditionelle Eröffnung der Freitagspredigt findet sich in fast allen Strömungen und wurde nie von einer einzelnen Bewegung innerhalb des Islams für sich beansprucht. Prediger (insbesondere arabischen Ursprungs) in aller Welt eröffnen mit diesem Hadith ihre wöchentliche Freitagspredigt, weshalb Herr Adamek und seine Expert*innen doch hoffentlich nicht allen attestiert, Salafisten erster Güte zu sein. Sollte Herr Adamek der Ansicht sein, dass dies vielleicht eine einseitige Sichtweise sein, kann er auch gerne anerkannte Islamwissenschaftler*innen befragen. Natürlich steht es Herrn Özkaraca frei auch den Rest der Predigt aus dem Kontext zu reißen und den eigentlichen Inhalt seiner vorurteilsbehafteten Ansicht verzerrend anzupassen, dies ist allerdings nur ein weiterer Beweis für seine mangelnde Kompetenz auf diesem Feld.

Immerhin - das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz und die heimlichen oder auch offiziellen Anhänger der AfD in Islam-Fragen wird es freuen.